Der CEO-Job wird politisch
Text von David Bach, IMD Professor für Strategie und politische Ökonomie, Dean für Innovation und Programme, und Delia Fischer, Chief Communications Officer, IMD.
Wer heute als CEO so denkt, hat nicht bemerkt, welchen Einfluss diese Bewegungen auch auf die Führung von Unternehmen hat. Die Probleme hinter die «Politische Mauer» schieben zu wollen, geht im Business nicht mehr. Dies zeigen auch die Befragungen, die wir beim International Institute for Management Development (IMD) im Rahmen unserer CEO-Roundtables mit Unternehmensleitungen aus der ganzen Welt führen.
90 Prozent von ihnen sind überzeugt, dass der Druck, zu aktuellen politischen und gesellschaftlichen Fragen Stellung zu nehmen, in den letzten fünf Jahren stark zugenommen hat. Ob Kundinnen oder Kunden, Mitarbeitende oder Verantwortungsträger in der Politik, alle erwarten heute deutlich stärker, dass die Leader in einem Unternehmen auch zu heissen Fragen des Zusammenlebens Flagge zeigen. Am schwierigsten aber seien die Gespräche mit Investoren, sagen die von IMD befragten Führungskräfte.
Dabei kann diese Verschiebung zum «politischen CEO» nicht einfach als ein amerikanisches Phänomen abgetan werden, das sich mit der provokativen Präsidentschaft von Donald Trump entwickelt hat. Auch in Europa ist der Trend zur Politisierung sichtbar, bei dem die Business-Leader entweder die Position ihres Unternehmens oder gar die persönliche Haltung zu aktuellen und umstrittenen Themen bekannt geben sollen. Es kann dabei jeweils auch um die Bestätigung oder Veränderung der Werthaltungen eines Unternehmens gehen. Der Druck, das «Richtige» zu tun, nimmt stetig zu.
Nicht allen CEOs gefällt diese Entwicklung. 30 Prozent fühlen sich dabei unwohl. Denn den meisten Befragten ist klar, dass bei solchen Stellungsnahmen immer jemand unter den Stakeholder unzufrieden sein wird. Ist ja klar: Wenn alle in gesellschaftlichen Fragen derselben Meinung wären, dann würde es auch weniger Druck geben, dass CEOs ihre Haltung deklarieren. Aber weil es eben unterschiedliche Meinungen gibt, will man wissen, wo die CEOs stehen.
Zweitens kommt das Wissen um die eigenen Schwächen dazu: Nicht jede kraftvolle Aussage eines CEOs wird gestützt durch die gelebte Wirklichkeit im Unternehmen. Es wird mehr als peinlich, wenn ein Chef oder eine Chefin schöne Worte zum Beispiel zu Genderfragen äussert, aber sich dann Stimmen intern oder gar extern melden und darauf hinweisen, dass es im Unternehmen durchaus Defizite in diesen Fragen gibt. Walk the talk or shut up – ist man versucht zu sagen.
Nichtsdestotrotz zeigen die politischen und gesellschaftlichen Diskussionen Wirkung. Drei Viertel aller von IMD befragten CEOs bestätigen, dass Gespräche rund um den Zweck und das Wirken des Unternehmens, Diskussionen um den Impact des Unternehmens auf die Gesellschaft, aber auch die Fragen nach der Zukunft der Arbeit ganz generell inner- und ausserhalb ihrer Organisationen zugenommen hat. Diese Themen nehmen mehr Raum ein in den Sitzungen eines Unternehmens als zwei Jahre zuvor, sagen 90 Prozent der Befragten.
Was heisst das nun für die Kommunikation? Natürlich ist es toll, wenn eine Chefin, ein Chef offen, natürlich und frei von der Leber über solche Themen sprechen könnte. Aber die Unternehmensführung verlässt sich natürlich nicht nur auf die eigenen Kommunikationsqualitäten. Wir bei IMD sehen, dass immer mehr Leader die eigenen Kommunikationsabteilungen stärken, aber auch Rat von Externen einholen, um in diesem heiklen Umfeld das Richtige zu sagen. Für 70 Prozent unter ihnen hat deshalb Kommunikation in den letzten 5 Jahren an Bedeutung gewonnen.
Interessanterweise bleiben aber die Kommunikationsexperten mehrheitlich vom Einsitz in die Geschäftsleitung ausgeschlossen. Bei weniger als 40 Prozent ist die Kommunikationsabteilung Teil der Leitung. Vielleicht wird sich auch dies ändern. Denn wiederum 80 Prozent der Befragten sagen, dass sie beträchtliche Ressourcen einsetzen, um die Besorgnisse und Haltungen der verschiedenen externen Stakeholder besser zu verstehen. Sie besprechen diese heute jedoch noch primär in der Unternehmensleitung selbst, und mit Mitgliedern im Verwaltungsrat. So oder so, sie sind sich im Klaren, dass kleine Sorgen von heute die grossen Herausforderungen der Zukunft auch für ihr Unternehmen bedeuten können – unter welchem Hashtag sie auch immer laufen werden.
Dieser Artikel ist in der April-Ausgabe von persoenlich erschienen.
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