«Die grosse Mehrheit der Journalisten ist fair»
400 Mitarbeiter in Rotkreuz bearbeiten den Schweizer Markt von Novartis. 10 000 Mitarbeiter aus über 100 Nationen arbeiten im globalen Headquarter, dem Novartis Campus in Basel. Und 123 000 Mitarbeiter arbeiten für Novartis weltweit. Als Group Head of Communications vertritt Michael Willi – grossgewachsen, blond und mit Basler Akzent – die Interessen des Unternehmens und all seiner Mitarbeiter gegenüber den verschiedenen Anspruchsgruppen wie Behörden, Medien, Investoren, Steuerzahlern. Die Aufgabe der Kommunikation ist es, so Willi, als Scharnier zwischen öffentlicher Meinung und Unternehmensführung zu dienen: «Die Inputs gehen nach innen und nach aussen, und ich wiederum spiegle sie in beide Richtungen.» Ob auf der Website, an der Tramhaltestelle oder beim Empfang des Novartis Campus: das Internationale ist überall offensichtlich. Selbst Willi fallen einzelne schweizerdeutsche Begriffe spontan nicht ein, weil sie ihm auf Englisch geläufiger sind.
In so einem internationalen, börsenkotierten Konzern kann eine falsche Aussage, eine missverständliche Geste an einer Medienkonferenz den Einbruch des Aktienkurses bedeuten. Benötigt es also auch schauspielerische Fähigkeiten als Kommunikationschef? Willi antwortet, es brauche ein gewisses Training, damit man wisse, wie gewisse Gesten und Worte wirken können. Beim öffentlichen Auftritt jedoch werde vor allem das Management ganz genau beobachtet und nicht er: «Schauspielerei fliegt sowieso sehr schnell auf, so hat auch niemand in unserem Management eine schauspielerische Ausbildung. Wichtig ist vielmehr, dass man authentisch ist und das, was man sagt, auch tut.» Man vergesse gern, dass Firmenvertreter aus den verschiedensten Gründen nicht immer alles sagen können, denn börsenkotierte Unternehmen seien vielen Regeln unterworfen. Gemachte Fehler etwa könne man auch bei den höchsten Ansprüchen an die eigene Transparenz nicht immer öffentlich eingestehen – weil das die Gegenanwälte als Schuldeinständnis deuten und es rechtlich verwenden könnten.
Keine Verbrüderungsstrategien
Im Umgang mit Journalisten müsse man ein Programm haben, und man müsse den Journalisten on the record Zugang liefern. Die Verbrüderungsstrategie – also ständiges Wining und Dining – sei nie seine Art gewesen, sagt Willi. Das schliesse aber nicht aus, dass man manchmal auch stundenlang mit Journalisten reden und Überzeugungsarbeit leisten müsse. Und wenn gravierende Fehler gemacht werden, dann müsse man auch rechtliche Schritte einleiten und Gegendarstellungen durchsetzen. Am ehesten ärgert er sich über Journalisten, die sich gedankenlos und opportunistisch verhalten. Journalisten glaubten manchmal, keinen Schaden anrichten zu können – hier vermisst er mitunter Verantwortungsbewusstsein und auch Selbstkritik. Jedoch dürfe man bei allem, was einem als Kommunikationsverantwortlicher im Alltag beschäftige, nie vergessen, dass die Alternative zu freien Medien Diktatur bedeute. Deshalb sei seine Grundhaltung gegenüber Journalisten stets eine positive und optimistische: «Ich finde es wichtig, zu erkennen, dass jemand, der eine kritische Stimme erhebt, nicht unbedingt Schaden anrichten will. Auch gemachte Fehler geschehen kaum je in böser Absicht. Die grosse Mehrheit der Journalisten ist fair und hat auch die Absicht, fair sein zu wollen.»
Nach der Matura überlegte sich Willi, was er studieren wollte: Geschichte und Deutsch? Dann wäre er wohl Journalist oder auch Lehrer geworden, letzteres zumindest wollte er nicht. Sportarzt vielleicht? Seine Frau ist Ärztin geworden. Die Familie Willi wohnt in Riehen bei Basel, sie haben drei Söhne im Alter von 22, 20 und 14 Jahren, die Biologie studieren, die Hotelfachschule besuchen bzw. noch am Gymnasium sind. Weil Willi ein grosses Interesse für Stadtentwicklung und Verkehrsökonomie hatte, studierte er dann Wirtschaftswissenschaften. Direkt danach wäre es eine Option gewesen, ins Verlagswesen einzusteigen. Er gelangte dann aber in die Media Relations des Schweizerischen Bankvereins und wurde dort Junior-Mediensprecher, wo er von interner über externe Kommunikation bis hin zum Ghostwriting viele verschiedene Dinge machte und lernte. Bei der späteren UBS war er zuletzt CCO – in der für einen Kommunikationsverantwortlichen höchst herausfordernden Zeit der Bank von 2008 bis 2013.
@Novartis mit über 225 000 Followern
Das Twitter-Konto @Novartis hat über 225 000 Follower und ist damit einer der grössten Corporate-Twitter-Kanäle der Branche: Man gebe sich Mühe, den Kanal kreativ zu nutzen, sei aber stark von Regulierungen eingeschränkt: «Wir haben kein Viagra, kein Botox, keine Lifestylemedikamente. Auch sind die meisten Novartis-Produkte sind rezeptpflichtig – und in der Schweiz ist es verboten, für rezeptpflichtige Medikamente zu werben.» Klar sei jedoch, dass dank dem Internet sehr viel mehr Kommunikationsmittel zur Verfügung stehen als beispielsweise in den 1990er-Jahren: «Damals konnte man sich nur auf der eigenen Homepage oder mit gekaufter Werbung beispielsweise in der Zeitung in die Debatte einschalten. Heute kann man viele Stakeholder selbst erreichen. Die reine journalistische Arbeit steht in Konkurrenz zu vielen anderen Inhalten.»
Bei der Corporate Responsibility fokussiert Novartis einerseits auf verantwortungsvolles Geschäften («doing business responsibly») und auf den verbesserten Zugang zum Gesundheitsleistungen («expanding access to healthcare»). Die grosse Frage sei, wie man es schaffe, einen bezahlbaren Zugang zu Innovation zu ermöglichen. Dass die Pharmabranche bei den Reputationstabellen oft auf den hintersten Plätzen anzutreffen sei, habe auch mit den aggressiven Promotionsmethoden zu tun, die in den 1980er und 90er-Jahren angewandt wurden. Damals habe man Medikamente auch mal verkauft wie Staubsauger und aus heutiger Sicht fragwürdige Marketing-Praktiken angewandt: Ärzte etwa sind in teure Restaurants eingeladen und mit Geschenken überhäuft worden. «Das ist heute nicht mehr der Fall», sagt Willi. «Die lange sehr verschlossene Pharmabranche öffnet sich nach und nach gegenüber der Öffentlichkeit.»
Im Februar 2018 wird Vasant Narasimhan zum neuen CEO von Novartis. Was wird sich ändern für Willi, wie geht es weiter? «Ich werde das erste Mal einen Chef haben, der deutlich jünger ist als ich, rund zehn Jahre jünger. Die Digitalisierung wird sich auch in der Pharmabranche immer weiter und in immer mehr Detailfragen durchsetzen. Wir stellen uns die Frage, wie wir Daten einsetzen können, um besser zu forschen, wie wir die Forschung und Entwicklung für den Patienten effizienter gestalten können. Die Voraussetzungen sind gut: wir verfügen über mehr Daten über Gesundheit als Google.»
HarbourClub-Symposium 2017
Am Symposium des HarbourClubs zum Thema „Collaborative Intelligence“ vom 23. November 2017 im Novartis Campus spricht Michael Willi darüber, wie man Unternehmenskommunikation in einem multinationalen Unternehmen erfolgreich organisiert, um die Firmenreputation zu optimieren. Weiter referieren Gehirnforscher Prof. Gerhard Roth, Sevil Peach, Architektin, Nadja Schnetzler und Susanne Sugimoto, Projekt R sowie Joseph Jimenez, CEO Novartis. Vollständiges Programm und Anmeldung unter www.harbourclub.ch.