Das Gesicht einer Weltmarke
Nach Apple und Google ist Coca-Cola die Nummer 3 der «Best Global Brands 2016». Ist es einfach oder schwierig, so ein Unternehmen in der Öffentlichkeit zu vertreten? Der Leiter Public Affairs & Unternehmenskommunikation bei Coca-Cola Schweiz, Matthias Schneider, lacht: «Als Gesicht so einer bekannten Marke ist man natürlich sehr exponiert, aber das ist eine positive Herausforderung.» Tatsächlich ist Coca-Cola – hergestellt und vertrieben in allen Ländern der Welt ausser in Kuba und Nordkorea – eine Marke, die polarisiert. Sie wird geliebt, so zum Beispiel von den Mitgliedern des Coca-Cola-Club Schweiz, ein Verein mit 20 Franken Jahresgebühr, der die Kontaktpflege zwischen Coca-Cola-Fans in der Schweiz bezweckt. Er wurde 2005 gegründet und trifft sich, um sich über Coca-Cola-Sammelobjekte auszutauschen, um Minigolf zu spielen oder um eine Kehrichtverbrennungsanlage zu besichtigen. Und es ist eine Marke, die gehasst wird, so zum Beispiel von Menschen, die sich um übergewichtige Jugendliche Sorgen machen. Oder von Menschen, die Wasser als ein öffentliches Gut sehen und es nicht in Ordnung finden, wenn es in Flaschen abgefüllt und verkauft wird.
Konsumentenwohl
Tatsächlich hat Coca-Cola in den letzten Jahren in den verschiedensten Märkten Wassermarken aufgekauft: Ob Valser in der Schweiz, Appolinaris in Deutschland oder Römerquelle in Österreich – sie gehören alle zum Coca-Cola-Konzern, der weltweit über 500 Marken und über 3500 Produkte unter seinem Dach versammelt. Die Firma hat aber auch reagiert auf die Vorwürfe, die Gesundheit insbesondere von Jugendlichen zu gefährden. Auf der Website heisst es: «Zum Wohl unserer Konsumenten reduzieren wir den Kaloriengehalt unserer Getränke, bieten transparente Nährwertinformationen, verpflichten uns zu verantwortungsvollem Marketing und fördern einen gesunden, aktiven Lebensstil». Mit der neuen Unternehmensstrategie «beverages for life» will man sich aufstellen als Anbieter von Getränken, die alle konsumieren können, in jeder Lebenslage. Ob Saft, Kaffee, Tee, Fanta, Sprite, Powerade oder Valser, die Firma konzentriert sich auf nicht-alkoholische, trinkfertige Getränke («non-alcoholic, ready to drink beverages»). Seit 2016 sind weltweit alle vier Coca-Cola-Marken – Klassik, Zero, Diet/Light und Life – unter «One Brand» vereint.
Lokale Produktion
Dass über 90 Prozent der in der Schweiz verkauften Flaschen des schwarzen Sprudelgetränks in Vals und in Brüttisellen hergestellt werden, wissen viele nicht. In unmittelbarer Nähe der Autobahnverzweigung Brüttiseller Kreuz dominiert die Farbe rot: auf der einen Strassenseite das Visitor Center, daneben hochaufgetürmt rote Harrassen. Auf der anderen Strassenseite das Bürogebäude mit Coca-Cola-Schriftzug, zu dem eine rote Flasche weist. Darin sind nicht eine Firma, sondern zwei: Der Lizenzgeber (The Coca-Cola Company) und der Abfüller und Vertreiber, auch bekannt als «Bottling Partner» (Coca-Cola HBC Schweiz AG). Das Unternehmen sei stark US-amerikanisch geführt, lese ich im Internet. Ist dem so? Matthias Schneider sagt es so: «Wir sind in der Konsumgüterindustrie tätig; mit hoher Schlagzahl und Leistungsdruck. Natürlich ist Coca-Cola profitorientiert: hier ist man angehalten, resultatorientiert zu arbeiten. Im Gegenzug erhält man aber auch erstaunlich viele unternehmerische Freiheiten. Mit knapp 30 Mitarbeitern aus über 10 Nationen sind wir eine sehr schlanke, multinationale Organisation.»
Botschafter
Gibt es einen besseren Botschafter für Coca-Cola als Warren Buffett, der als Investor einer der reichsten Menschen der Welt geworden ist? Buffett, der nach eigenen Angaben jeden Tag etwa fünf Dosen Coca-Cola oder Cherry Coke trinkt, begann 1988, Coca-Cola-Aktien zu kaufen – seine Beteiligungsgesellschaft Berkshire Hathaway besitzt heute den grössten Anteil an den Aktien des Konzerns. Blättert man das Coca-Cola-Jahrbuch durch, das im Empfangsbereich des Bürogebäudes aufliegt, stösst man auf weitere Botschafter: Muhammed Ali, Run-D.M.C., Charles Montgomery Burns, Bill Cosby. In der Schweiz werben aktuell Fussballer Xherdan Shaqiri, Moderatorin Alexandra Maurer, Bloggerin Zoë Pastelle und Musiker Stress für die Marke. Matthias Schneider hat die Schweizer Kampagne, die das hiesige Publikum ansprechen soll, zusammen mit dem Marketing konzipiert und zusammen mit Werbe- und PR-Agenturen ausgearbeitet: «Der Konsument hat sich etwas zu wenig gefunden in der internationalen Kampagne, deshalb haben wir lokale Botschafter geholt.»
Mister Coca-Cola
Seit September 2008 ist Schneider für die Kommunikation bei Coca-Cola Schweiz zuständig. Zuvor war er als stv. Leiter Standortmarketing bei Schweiz Tourismus verantwortlich für die internationale Kampagne «Schweiz. Entdecke das Plus» im Rahmen der Fussball-Europameisterschaft 2008. Beschäftigt war Schneider auch schon beim Sportvermarkter IMG, der Credit Suisse AG und bei Feldschlösschen. Zusammen mit seiner Frau und zwei Mädchen im Alter von 8 und 12 Jahren wohnt Schneider in Uetikon am See, einer Goldküstengemeinde zwischen Meilen und Männedorf. Kürzlich wurde er in den Vorstand der FDP Uetikon gewählt, wo er sich gerne engagiert, denn es sei eine lässige Ortspartei mit einer guten Präsidentin. Sportlich ist Schneider auch: Tennis, Crossfit, Skifahren, Segeln und seit neustem auch Yoga – Joggen dagegen sei nicht so sein Ding. Wie sehen Schneider Leute, die mit ihm zusammengearbeitet haben? «Matthias Schneider ist für mich Mister Coca-Cola. Er lebt und liebt sein Business wie kein anderer», sagt Marcel Kreber über ihn, der Generalsekretär des Verbands Schweizerischer Mineralquellen und Soft-Drink-Produzenten. Patrik Müller, Chefredaktor der «Aargauer Zeitung», hat Matthias Schneider bei einem Weiterbildungskurs der HSG kennengelernt und hatte im Rahmen des SwissMediaForums mit ihm Kontakt: «Matthias gehört zu denjenigen Kommunikationschefs, die eine klare Vorstellung von ihrem Job haben. Er ist immer mit vollem Einsatz für die Reputation von Coca-Cola unterwegs. Kritischen Fragen geht er nicht aus dem Weg, und: Er interessiert sich auch für den Journalismus, nicht nur für seine eigene Sicht.»
Kommunikationstrends
Welche Trends sieht Matthias Schneider in der Kommunikation? Seinen eigenen Job, den klassischen CCO (Chief Communication Officer), gebe es in spätestens zehn Jahren nicht mehr, sagt er: «Die Disziplinen werden miteinander verfliessen, einerseits mit dem Marketing, andererseits mit der Social-Media-Abteilung. Eine wichtige Rolle in Zukunft werden die Public Affairs spielen, also die Schnittstelle zur Verwaltung und zu den Verbänden. Mit geschicktem Lobbying kann man die richtigen Rahmenbedingungen schaffen.» Ausserdem, so Schneider weiter, werden die Sozialen Medien immer wichtiger, und auch Unternehmen werden vermehrt zu Publishers. Die von Coca-Cola lancierte Website «Journey» (www.coca-cola.ch) zeigt, was er meint: Eine 98-jährige Frau erzählt, wie sie in den späten 1930er-Jahren für Coca-Cola gemodelt hat. Die zur Markenbotschafterin gemachte Bloggerin Zoë Pastelle beantwortet Fragen. Es stehen sogar Rezepte für Gerichte bereit, die mit Coca-Cola Life gekocht werden können. Geschichten, die man erzählen will, stellt man so einfach online. Der Weg über die klassischen Medien wird nicht mehr immer benötigt.
Matthias Schneider engagiert sich im Vorstand des HarbourClubs und betreut dort das Ressort Events. Im HarbourClub versammeln sich Schweizer CCOs, aktuell sind es etwas über 80 Personen. «Uns geht es darum, im vertrauten Umfeld Themen besprechen zu können, die für uns relevant sind. Wir treffen uns alle zwei Monate zum Lunch, und laden da auch immer gerne einen Gastredner ein.»
Text: Ronnie Grob, Redaktor beim Schweizer Monat