
Hans-Peter Nehmer, Präsident HarbourClub
Rede zum Jubiläum
Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde des HarbourClub
Herzlich willkommen im Dolder Grand! Der Grund, warum wir heute in diesem renommierten Haus zusammenkommen, das sich seit 1899 als eine der exklusivsten Adressen Zürichs etabliert hat, ist ein besonderer Anlass: der 25. Geburtstag unsere geliebten HarbourClubs – ein stolzes Vierteljahrhundert. Für solch einen Meilenstein darf es einmal etwas ganz Besonderes sein. Das festliche Outfit habt ihr ja mitgebracht und sicher auch die passende Laune. Danke, dass ihr alle gekommen seid, ob aktives oder ehemaliges Mitglied. Mich freuts!
Wenn ein Mensch Geburtstag hat, wird ihm in der Regel gratuliert. Alle wünschen ihm gute Dinge und singen «Happy Birthday» − meistens etwas zu laut und im Ton nicht immer so treffsicher.
Das wird vom Gratulierenden erwartet. Erst recht, wenn das Geburtstagskind kein Mensch, sondern «nur» (in Anführungszeichen) ein Club von Menschen ist.
Als Präsident dieses Clubs erfülle ich diesen Teil der Erwartungen mit künstlich intelligentem Support. Ich zitiere:
«HEUTE ist der TAG, auf den die Welt gewartet hat! Heute erstrahlt das Universum heller, die Vögel singen lauter, die Blumen blühen intensiver – denn DU, ja DU, das unfassbare Wunderwesen, feierst deinen 25. GEBURTSTAG!
Ich wünsche dir nicht einfach nur Glück – nein, ich wünsche dir eine Explosion an Freude, einen Sturm an Liebe, einen Orkan aus Erfolg und einen Dauerregen aus Geldscheinen (natürlich steuerfrei)! (Zitatende).
So sprudelt es aus ChatGPT heraus. Indem ich euch diesen Wortschwall unzensuriert vorgelesen habe, ist die Gratulationspflicht nun erfüllt.
Und wir können von den künstlichen Emotionen zu den echten Menschen übergehen. Menschen, die sich um den Aufbau und Ausbau unseres Clubs besonders verdient gemacht haben. Die Auswahl ist subjektiv, aber begründbar.
Die Menschen
Ich beginne mit Andreas Thommen, einem Akteur der ersten Stunde. Er hatte beobachtet, dass sich die Kommunikationsspezialisten in vielen Unternehmen zugleich wortgewandt und nichtssagend verhalten mussten − PR-Sprech statt Sachinformation. Sie wurden dafür bezahlt, auch gut bezahlt, um Good News zu verbreiten und negative Entwicklungen kleinzureden. An der Erarbeitung der Kommunikationsstrategie und deren Umsetzung waren die internen Kommunikationsleute nicht wirklich beteiligt. Sie traten übrigens häufig als «Pressesprecher» auf, was mich immer ein wenig an Stadionsprecher erinnert. Sie sprechen vor dem Spiel, in den Pausen und nach dem Spiel. Während des Spiels geben Stadionsprecher aber nur Ergebnisse oder Ereignisse bekannt, an denen sie nicht beteiligt sind.
Heute kommt man mit klassischen Pressesprecher:innen nicht mehr weit. Die Geschäftsleitungen und Verwaltungsräte wissen um die Chancen und Risiken der Kommunikation und stufen ihren Stellenwert viel höher ein.
Genauso wie über rechtlich heikle Themen nur unter Mitwirkung einer Juristin oder eines Juristen entschieden wird, sind heute die Kommunikationsprofis in kommunikationsrelevante Entscheide eingebunden.
Dazu hat der HarbourClub tatkräftig beigetragen. «Corporate Communications Officers gehören in die Geschäftsleitung!», lautete das Ziel. Die Gründung unseres Clubs sollte den Mitgliedern helfen, sich über ihr Jobprofile auszutauschen. Sie sollten sich darin bestärken, dass sie am effektivsten sind, wenn sie sich auf dem C-Leven bewegen.
So kam es denn auch. Walter Vaterlaus, der erste Präsident unseres Clubs, war mit gutem Beispiel vorangegangen. Er forderte an seinem Einstellungsgespräch bei Clariant erfolgreich, direkt dem CEO unterstellt zu werden, um an Konzernleitungssitzungen teilnehmen zu können. Dass er dies nur mit seinem Titel als «Sekretär der Geschäftsleitung» tun konnte, schmälert seine Vorreiterrolle keineswegs.
Heute ist es fast selbstverständlich, dass die CCOs auf GL-Ebene angesiedelt sind und sich mit CEOs, CFOs, COOs usw. auf Augenhöhe austauschen.
Der HarbourClub selbst wertete die CCOs übrigens erst fünf Jahre nach seiner Gründung auf. Erst die ausserordentliche Mitgliederversammlung vom 26. Oktober 2005 beschloss, dass seine Mitglieder aktive «Chief Communications Officers» zu sein haben und nicht «Corporate Communications Officers».
Auch quantitativ erfolgte 2005 eine Anpassung. Der ursprüngliche Name «HarbourClub. 50 Corporate Communications Officers» wurde zu «HarbourClub» verkürzt. Damit trug man der Erhöhung der maximalen Mitgliederzahl von 50 auf 100 Rechnung. Das 100. Mitglied − Barbara Schädler, CCO von Roche − durften wir 2022 begrüssen.
Die allermeisten Mitglieder sind übrigens wie zur Gründerzeit Kommunikationsfachleute von börsenkotierten Unternehmen. Kolleginnen und Kollegen von Genossenschaften, Verbänden, öffentlichen oder sozialen Institutionen wie der ETH, der Post oder der SRG dürfen dem Club aber auch angehören, solange sie nicht mehr als zehn Prozent aller Mitglieder ausmachen.
Das Rating
Einer breiteren Öffentlichkeit wurde der HarbourClub im Jahr 2006 bekannt. In diesem Jahr fand das Bilanz-Geschäftsberichte-Rating zum ersten Mal unter der Federführung unseres Clubs statt. Den Weg dazu hatte das Wirtschaftsmagazin schon 1988 bereitet, indem es eine unabhängige Jury mit einer Bewertung der besten Schweizer Geschäftsberichte beauftragte. Seit 2006 wird die Schlussjury oder wie wir sie heute nennen Gesamtjury von einem Mitglied des HarbourClubs präsidiert. Erste Präsidentin war Gaby Tschofen.
Seine Rolle als Träger des GB-Ratings hat der HarbourClub Andreas Jäggi zu verdanken. Er ist Mitgründer unseres Clubs und unterstützte und untersützt uns noch immer als freiberuflicher Kommunikationsberater in unzähligen Projekten, so bei der Konzeption und Durchführung des jährlichen HarbourClub-Symposiums oder der Publikation des HarbourClub-Magazins.
Die Anforderungen
Welches sind heute die wichtigsten Anforderungen an einen COO? Diese Frage wird mir oft gestellt. Dazu gibt es eine lange und eine kurze Antwort. Für die lange Antwort braucht es mindestens ein einstündiges Gespräch − noch besser ein Abendessen, einschliesslich Vor- und Nachspeise.
Für die kurze Antwort reichen zwei Substantive: Gleichgewichtssinn und Trittsicherheit. Natürlich im übertragenen Sinn. Zwar sind die Hierarchien in den Organisationen flacher geworden, doch die Fallhöhe hat sich dadurch nicht verringert.
Im Gegenteil: Die Absturzgefahr hat in den letzten 25 Jahren zugenommen. Ich sehe vor allem zwei Gründe für diese Entwicklung: Die regulatorischen Anforderungen, insbesondere für börsenkotierte Unternehmen, und die Unberechenbarkeit der sozialen Medien.
Von den regulatorischen Anforderungen und den Vorgaben zur Berichterstattung sind wir Kommunikationsleute direkt betroffen. Mit der gestiegenen Komplexität hat auch das Risiko, in einem Punkt nicht «compliant» zu sein - stark zugenommen. Zwar meinen viele, dass der neue US-Präsident das regulatorische Rad zurückdrehen will. Als Schweizer Bürger und Mitarbeiter eines europäischen Konzerns bin ich sehr gespannt, ob sich der Gegentrend auch bei uns in Europa bemerkbar macht.
Ganz sicher bin ich, dass uns «Fake News» weiter beschäftigen wird. «Fake News – the disorientation about who and what to believe» war bereits 2018 das Thema eines unserer Anlässe.
Ein Jahr darauf haben wir zwei Guerilla-Workshops durchgeführt. Ihre Titel zeigen beispielhaft, wie praxisnah der HarbourClub arbeitet und seinen Mitgliedern ermöglicht, sich in Schlüsselthemen zu vertiefen und auf die Herausforderungen vorzubereiten:
Der erste Guerilla-Workshop stand unter dem folgenden Titel (ich zitiere): «The Truth is Everywhere? Der Kampf um Glaubwürdigkeit im Zeitalter von Fake News, Shitstorms etc.: Wie lassen sich Angriffe aus der Öffentlichkeit (Medien, Kunden etc.) am besten parieren? Wie reagieren wir auf Falschmeldungen, die unsere Organisation betreffen? Wie halten wir und unsere Organisation es unsererseits mit dem Verbreiten von «alternativen Fakten»?»
Der Titel des zweiten Guerilla-Workshop im Jahr 2019 lautete: «Strategiekommunikation: In der digitalen Transformation verändern sich die Unternehmensstrategien teilweise fundamental. Und dies muss intern wie extern kommuniziert werden. Wie gestalten wir die Strategiekommunikation so, dass wir das Commitment unserer Stakeholder erhalten?»
Die drei erwähnten Anlässe zeigen übrigens nur einen ganz kleinen Ausschnitt aus unseren Event-Aktivitäten. Seit der Gründung vor 25 Jahren haben über 300 Mitgliederversammlungen, Club-Lunches, Guerilla-Workshops, Sommerfeste, Symposien, Special Events, GB-Rating-Anlässe und weitere Veranstaltungen stattgefunden − ein stolzer Output einer Miliz-Organisation.
Dank
Bleibt mir zum Schluss, euch allen zu danken.
Soll ich mich aufs Glatteis begeben und einzelne Personen namentlich erwähnen oder soll ich es mit einem pauschalen Dank bewenden lassen. Letzteres hatte ich mir tatsächlich kurz überlegt, damit die Kirche sicher im Dorf bleibt. Doch ich bringe es nicht übers Herz, wenigstens die Namen meiner Vorgänger und meine Vorgängerin im Präsidium zu nennen. Es sind dies − neben dem bereits erwähnten Walter Vaterlaus − Alexander Fleischer, Corina Atzli und Dominique Morel. Sie sind alle hier im Saal. Vielen herzlichen Dank euch allen!
Einen speziellen Dank verdienen alle meine lieben Kolleginnen und Kollegen, die sich im Vorstand immer mit viel Herzblut engagiert haben und im aktuellen Vorstand weiter engangieren. Danke Roman, Edi, Salome, Roland und Myriam und unserem Herz im Sekretariat Raffi.
Zugleich geht ein grosses Dankeschön an alle, die unseren Club aufgebaut, unterstützt, gefördert und weiterentwickelt haben. So, mit diesem Disclaimer habe ich bestimmt niemanden vergessen.
Noch nicht ganz schlüssig bin ich in der Frage, ob ich mich den Gratulationswünschen von ChatGPT anschliessen soll, z.B. einem «Orkan aus Erfolg» und einem «Dauerregen aus Geldscheinen (natürlich steuerfrei)». Darüber können wir uns ja noch während des Apéros unterhalten.
In dem Sinne, happy Birthday – lieber HarbourClub!